Ha was? Hanoi – Ha doch – Ha Giang.
Nach drei Tagen in Hanoi habe ich entschieden, dass ich nochmal eine kleine Tour „Ex Velo“ machen wollte. Ich hatte mir einige Möglichkeiten angeschaut. Darunter der wohl bekannteste Spot in Vietnam; die „Ha long Bay“ – Ha was? Ich hatte aber ehrlich gesagt null Bock auf Massentourismus und Abzocke. So entschied ich mich, nach Tipps von einigen Travellern, für die Region Ha Giang am nördlichsten Zipfel von Vietnam. Die Entfernung von Hanoi aus beträgt ca. 300 km. Man benötigt mit dem Bus allerdings 6 Std. Von der Provinzhauptstadt Ha Giang sind es dann noch 25 km bis zur chinesischen Grenze. Ausganspunkt meiner Tour war eben die Stadt Ha Giang mit 30.000 Einwohnern. Die Architektur in Ha Giang erinnert teilweise sehr an die postsozialistische Zeit der 1990er Jahre. Die Region Ha Giang zählt zu den ärmsten Gegenden in Vietnam. Infrastruktur wie Straßen sind nur sehr bescheiden ausgebaut, Schulen und Krankenhäuser sind nur selten vorhanden. Meist wandern Lehrer von Dorf zu Dorf um die Mindestbildung zu gewährleisten. Angekommen mit dem Bus bin ich gegen 14:00 in Ha Giang. Die Stadt hatte irgendwie gar nichts von dem Asien welches ich die Wochen vorher kennengelernt hatte. Wie oben beschrieben fühlte es sich eher an das alte Osteuropa an. Nach der Ankunft ging es sofort mit dem Motobike auf die Tour. Begleitet wurde ich von einem lokalen Guide. „Tho“ war ein junger Vietnamese aus Ha Giang, der sehr gut englisch sprach und mit dem Geld welches er als Guide verdient, das Studium seiner Schwester in Hanoi finanziert. Schon nach wenigen Metern auf dem Motobike konnte man die wunderschöne Natur sehen. Es ging stetig bergauf. Die Landschaft wurde nach jeder Kurve beeindruckender. Hohe Berge, tiefe Schluchten und überall Gebirgsbäche. Apropos Bäche: In der Region regnete es die Tage zuvor sehr stark (den Regen bzw. eine kühle Abwechslung hätte ich mir auch gerne weiter südlich als ich auf dem Drahtesel unterwegs war gewünscht). Hatte zur Folge, dass überall auf den „Straßen“ große Felsbrocken lagen. Im Nachhinein und mit deutscher Brille gesehen, wäre es hierzulande unmöglich dass Straßen unter gegebenen Umständen freigegeben werden. Nicht zu unrecht. Ein weiterer Neben- effekt des Regens war, dass immer wieder Rinnsale sich den Weg durch die Kieselstein- straßen suchten. Mal konnte man gekonnt mit dem Roller hindurch fahren, mal musste man zu zweit akrobatisch des Gefährt über den Bach heben.



Kurz vor Dunkelheit erreichten wir unser erstes Tagesziel. Ich habe keine Ahnung wie lange wir unterwegs waren. Für mich gab es ohnehin kein wirkliches Zeitgefühl mehr. Viel zu intensiv waren die Eindrücke auf meiner Tour. Die Unterkunft für die nächste Nacht war wohl eine der prägendsten. Ein alter vietnamesischer Bauernhof, mehr Authentizität geht nicht mehr. Ein Hof abseits der nächsten Ortschaft. Hier lebt ein „altes“ vietnamesisches Ehepaar komplett autark als Selbstversorger (naja, das Bier für die Gäste ist importiert). Nicht weil sie sich im Laufe der Zeit dafür entschieden haben. Nein, weil es hier im Norden von Vietnam schon immer so war. Am Abend gab es ein leckeres lokales Essen, gekocht in einer kleinen Küche. Gespeist wurde im ehemaligen Stall der Kühe, welcher immer noch wie ein Stall aussieht. Im Übrigen waren die Rollen der Gastgeber klar verteilt. Der Mann stand in der Küche und die Frau hatte riesen Spaß daran mit mir den selbstgebrannten Maisschnaps zu trinken. Zum Glück konnte ich am nächsten Morgen noch sehen und war nicht blind. Bis es zum nächsten Morgen kam, hatte ich allerdings noch mit einer kleinen Challenge zu kämpfen. Mein Schlafplatz befand sich auf dem Dachboden des Hauses. Wie eben ein Dachboden eines 100 jährigen Holzhauses aussieht, alles aus Holz, das Dach zwar gedeckt, aber mit ein paar Löchern versehen und natürlich keine zusätzliche Isolation. Wie nicht anders erwartet begann es in der Nacht höllisch zu gewittern und regnen. Tropfen für Tropfen platschte auf mein Gesicht.



Die Tour am zweiten Tag ging wieder durch atemberaubende Landschaften, führte vorbei an Reisbauern, traditioneller Textilherstellung aus Hanf und Viehzüchter welche immer mal wieder mit Flinten bewaffnet waren. Es wurde immer schwieriger den Blick auf der Straße zu halten. Die Umgebung und die tiefen Canyons waren unbeschreiblich schön. Überall das satte Grün und die hohen Karstfelsen. Die Menschen waren durchweg sehr freundlich und immer für ein Lächeln zu haben. Die zweite Nacht verbrachte ich komplett gegensätzlich zur ersten.

Ziel war die Stadt Dong Van auf 1.100 m. Hier übernachtete ich in einem Hotel und nahm mein Abendbrot in einem Cafe nebenan zu mir. Die Einwohner hier sind zu über 90% ethnische Minderheiten. Man kann es an der bunten Kleidung erkennen. Highlight hier war der sonntägliche Markt, auf welchem so ziemlich alles gehandelt wird was man sich nur vorstellen kann. Von Nahrungsmitteln über Medizin bis hin zum Vieh. Alles nebeneinander. Für mich war es in Asien der keine Ahnung wievielte lokale Markt. Dieser war aber definitiv einer der beeindrucktesten und authentischsten. Es war nicht nur ein Markt, sonder viel mehr ein Handel. Es gab sogar „Geldwechselstuben“. Meist eine Frau (Frauen verrichten hier die meiste Arbeit auf dem Markt) saß mit einem riesen Geldstapel inmitten des Marktes auf einem Stuhl und bot vietnamesische Dong zum Kauf an. Grund hierfür ist, dass viele Einwohner ihr Geld im nahen China verdienen und ihr Einkommen im chinesischen Renminbi erhalten. Nach dem bunten Markttreiben ging es dann mit dem Roller in vier Stunden zurück nach Ha Giang, von wo aus am Nachmittag der Bus zurück nach Hanoi ging.



Fazit: Der Ha Giang Loop war landschaftlich einfach nur überragend. Das authentische Leben der Einwohner war für mich, trotz vieler Asienkenntnisse, noch einmal etwas komplett anderes bzw. neues. à Highly recommended – fünf Sterne
PS: Warum fast nur die Frauen am Sonntag auf dem Markt arbeiten? Für die Männer heißt es am Sonntag gesellschaftliches trinken. Kommt der Mann frühzeitig und nicht betrunken nach Hause, so hat er keine Freunde mit denen er sich betrinken kann und ist gesellschaftlich nicht gut angesehen. True Story. In diesem Sinne Prost.